E-Learning oder „Die nächste langweilige Pflichtschulung“

Links rein – rechts raus. Wiederholung macht noch lange kein erfolgreiches Lernen. Vor allem bei der Konzeption und Umsetzung von Pflichtschulungen besteht Nachholbedarf.

„Da wechseln wir einfach das Datum aus“

Sie werden meist als unliebsame Notwendigkeit erlebt, sind aber unerlässlich, wenn es um Sicherheit geht. Ganz aktuell zu Zeiten von Corona sind es Hygiene- und Notfallpläne, die helfen Leben zu retten. Jetzt zeigt sich, wie die Lerninhalte verinnerlicht wurden und wie die Mitarbeiter gelernt haben, sie in der Praxis situativ, schnell und sicher anzuwenden. Denn Zeit zum Überlegen und Nachdenken bleibt da nicht.

Studying vs. Learning

Schauspielerin und Harvard Absolventin Natalie Portman (Black Swan, Star Wars) bringt es auf den Punkt: „I don’t love studying. I hate studying. I like learning. Learning is beautiful.“

„Studying“ bezeichnet die fremdmotivierte Art des Lernens. Das kennt wahrscheinlich jeder einzelne aus seiner Schulzeit. Die typische Schülerfrage „Warum muss ich das wissen?“ abzutun mit „Weil das in der Klassenarbeit abgefragt wird“ ist eine fremdmotivierte Art des Lernens. Dieser Druck kann funktionieren und dazu führen, dass die Inhalte gelernt werden – es ist aber definitiv nicht nachhaltig. „Learning“ hingegen meint Lernen aus einer Neugierde heraus, mit der Überzeugung, dass ich damit irgendwie vorankomme, wenn sich mir diese neuen Inhalte erschließen. Neugierde wohnt uns Menschen inne. Sie ist instinktiv und wichtig für unsere Entwicklung. Und sie kann geweckt werden. Mit dem richtigen kommunikativen Konzept kann man dafür sorgen, dass die Mitarbeiter*Innen eine Schulung nicht nur von sich aus durchführen, sondern sogar freiwillig wiederholen.

Lernen kann an der Realität scheitern: Kontextanalyse

Bevor man allerdings in die eigentliche Erarbeitung des Schulungskonzeptes und der Lerninhalte starten kann gilt es, sich genau mit der Situation vor Ort auseinanderzusetzen. Denn auch die beste Idee und der kreativste Lerninhalt können an der Realität scheitern. Deswegen beginnt man mit einer sogenannten Kontextanalyse. Die Kernfragen dabei lauten:

Welche technischen Möglichkeiten stehen den Mitarbeiter*Innen unterschiedlicher Bereiche zur Verfügung? Gibt es Orte und Räume an denen ungestört gelernt werden kann? Welche Vorkenntnisse bestehen zum Thema und kann ich auf diese aufbauen?

Ein Beispiel: Alle Mitarbeiter*Innen haben Bildschirme mit eingebauten Lautsprechern. Allerdings sitzen besagte Mitarbeiter*Innen in Großraumbüros und Kopfhörer sind nicht vorhanden. Konflikte sind somit vorprogrammiert, wenn die Schulung auf notwendige auditive Inhalte setzt. Solche Verquickungen sind nicht selten und müssen in die Planung einer Schulung einbezogen werden.

Konzeption: Aus Videospielen lernen

Kontextbasierte Faktoren sind grundlegend für die Nutzung. Doch was macht eine Schulung attraktiv? Die Antwort findet sich in der umsatzstärksten Entertainment-Sparte der Welt: Videospiele. Wie keinem anderen Medium gelingt es dem Videospiel, dass Spieler die Geschichten, das Gesehene beziehungsweise Gespielte mehrfach erleben wollen. Und da schließt sich der Kreis zur Pflichtschulung. Auch sie wiederholt sich. Keine Angst, es geht nicht darum, Videospiele als Schulungen umzusetzen. Wir reden auch nicht von Gamification. Den Mitarbeiter*Innen kleine Abzeichen zu verleihen und den Aufgaben High-Scores zuzuordnen kann hilfreich sein, ist aber nicht der Kernaspekt von gutem Schulungsdesign. Die beiden Punkte, die man sich unserer Erfahrung nach aus dem Game-Development herausgreifen sollte, um diese auch für Schulungen am Arbeitsplatz einzusetzen lauten:

  1. Mitbestimmung
  2. Immersion

Mitbestimmung gibt den Lernenden ein Stück weit die Kontrolle zurück. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil der Interaktivität und lassen den Lernenden bestimmen, in welcher Reihenfolge und in welchem Umfang sie gewisse Inhalte erlernen möchten. So arbeitet man in Richtung Anerkennung der Vorkenntnisse jedes Einzelnen und sorgt gleichzeitig für Spannung. Vielleicht kann ein Lernender einen bestimmten Pfad nur dann freischalten, wenn er sich beim vorherigen Quiz für eine bestimmte Vorgehensweise entschieden hat. Lassen Sie Ihre Lernenden Entscheidungen treffen, die auch Tragweite haben.

Wie im echten Leben

Und hier kommt die Immersion ins Spiel. Der Begriff meint das Vertiefen in eine fiktionale Welt. Eintauchen in erzählte Inhalte. Viele E-Learning brechen bei nur einer falschen Auswahl des Lernenden ab und zwingen zur erneuten (richtigen) Beantwortung der Frage. Das zerstört die Immersion, denn so funktioniert unser Alltag als Menschen nicht. Ein Fehler im Job und sie müssen sofort aufhören, die Zeit zurückdrehen und es erneut versuchen? Nein.

Im echten Leben müssen sie mit den Konsequenzen Ihrer Fehler leben und weitermachen. Versuchen eine Lösung zu finden. Warum nicht ein E-Learning konzipieren, dass sie durch Konsequenzen wissen lässt, wo sie suboptimale Entscheidungen getroffen haben. Wenn der Effekt groß genug ist und den Lernenden dadurch spannend aufbereitete Inhalte entgangen sind, neigen Menschen dazu zurückzuwollen, um es besser zu machen.

„Hätten Sie da mal ein Beispiel für eine solche Pflichtschulung?“ Ja hätten wir, und zwar in unserem nächsten Artikel, in dem Musik eine große Rolle spielt. Es lohnt sich also mal vorbei zu schauen.

Wie geht es weiter?

Für eine persönliche Beratung stehe ich gerne zur Verfügung.

Mirja Ng-Metzker

Client Relations Manager